Ken Schwaber und Jeff Sutherland definieren im offiziellen Scrum Guide wie folgt (Auszüge):
„The Product Owner is responsible for maximizing the value of the product [...]“
„The Product Owner is the sole person responsible for managing the Product Backlog.“
„The Product Owner is one person, not a committee.“
Der Product Owner definiert das Produkt. Er legt fest, welche Features als nächstes entwickelt werden sollen. Er legt Ziele fest.
Wenn wir bei der Creasoft AG für unsere Kunden Projekte durchführen oder Produkte entwickeln haben wir meist folgende Situation:
- Der Kunde kennt seine Anwender und seine Domäne. Er weiss viel über die Anforderungen an das zu entwickelnde Softwareprodukt. Er hat aber nicht genügend Wissen und Erfahrung im Bereich der Softwareentwicklung. Er hat auch keine Erfahrung, wie aus den Anforderungen eine brauchbare Spezifikation für das Produkt erstellt werden kann.
- Bei Creasoft ist viel Erfahrung mit Prozessen und Werkzeugen der Softwareentwicklung vorhanden. Zu Beginn des Projekts fehlt es aber meist an spezifischem Domänenwissen.
Es gibt also diese einzelne Person nicht, die die oben genannten Tätigkeiten in kompetenter Weise durchführen kann.
Jeff Sutherland war CTO einer Firma die Gesundheitsinformationssysteme herstellt. Er definiert die Aufgaben und Fähigkeiten eines Product Owner wie folgt:
„[A product owner] must be a domain expert, preferably a practicing physician a couple of days a week in one of the leading hospitals in Boston … an engineering expert, preferably [having] written some apps themselves … an expert in user stories, use cases, and software specifications in general and healthcare in particular … really good with customers and sales people to elicit requirements and recruit physician experts to test-drive prototypes of new functionality … [and] own the business, the revenue, the customer and sales relationships with respect to features, the physical creation of user stories and any additional specification of the product including all analysis that is related to what the customer wants. [Our product] owners have no help other than developers and other members of the product owner team. The first couple of hires we made couldn’t do this. Repeated training, coaching and getting the right person in the job made it happen.“
Wenn ich dies lese, ist klar: Das kann eine einzelne Person im Allgemeinen gar nicht leisten. Mitarbeiter mit solchen Fähigkeiten gibt es praktisch keine. Bei Creasoft müsste das dann sogar auf verschiedene Domänen skalieren.
Wir haben ein anderes Modell gewählt: Bei uns werden die Aufgaben des Product Owners in einem Projekt von mindestens zwei Personen übernommen: Ein Produktmanager von unserem Kunden und ein Projektleiter von Creasoft. So schaffen wir es, das Domänenwissen und das Softwareentwicklungswissen zu bündeln. Dieses Product Owner Team kann auch noch andere Experten zuziehen, falls nötig.
Auch andere sind schon auf diese Idee gekommen. Bereits 2010 schreibt Mike Cohn, ein weiteres Scrum-Urgestein: „In some cases, the product owner role can be too much for one person.“ Auch er schlägt ein „Product Owner Team“ vor.
Auch das Agile Manifest meint: „The best architectures, requirements and designs emerge from self-organizing teams.“ Das widerspricht direkt der Forderung von Scrum, dass der Product Owner nur eine Einzelperson sein kann.
Darf man den Scrum Guide in Frage stellen? Die Antwort gibt meines Erachtens wiederum das Agile Manifest. Der vierte Wert meint: „[We prefer] Respondig to change over following a plan“. Das heisst, man soll Regeln anpassen, wenn sie auf eine gegebene Situation nicht nicht zutreffen.